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Wer schreibt, der bleibt – Sinn und Unsinn von Schriftformklauseln in Arbeitsverträgen

September 2020 · Lesedauer: Min

Digital vereinbarte betriebliche Policies: für Arbeitnehmer:innen gilt das Günstigkeitsprinzip

Schriftformklausel als Standardtextbaustein
Schriftformklauseln gehören zu den standardmäßigen Textbausteinen in Arbeitsverträgen. Sie sehen vor, dass Änderungen und Ergänzungen zum Anstellungsvertrag nur wirksam sind, wenn diese Änderungen und Ergänzungen schriftlich abgefasst und von beiden Vertragsparteien im Original unterzeichnet sind.

Gesetzliche Schriftform
Das Arbeitsrecht kennt nur wenige Erklärungen, die der gesetzlichen Schriftform unterliegen und die bei Nichteinhaltung dieser zwingenden Form unwirksam sind: Die wichtigsten sind die Kündigung (§ 623 BGB), der Aufhebungsvertrag (§623 BGB) und die Befristungsabrede (§ 14 Abs 4 TzBfG). Alle anderen gängigen Erklärungen im Arbeitsverhältnis sind formfrei oder in digitaler Form (z.B. die Einhaltung einer vertraglich vereinbarten Verfallfrist) möglich.

Nach dem Nachweisgesetz (NachwG) muss der Arbeitgeber dem Mitarbeiter die wesentlichen Arbeitsbedingungen zwar schriftlich bestätigen und diese Bestätigung auch im Original unterzeichnen. Das Nachweisgesetz fordert aber nur die Unterschrift des Arbeitgebers, nicht aber die des Arbeitnehmers.

Die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer Schriftformklausel geht also weit über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus.

Schriftform vs Digitalisierung
Allerdings bereiten Schriftformklauseln im Zeitalter der Digitalisierung zunehmend rechtliche Schwierigkeiten. Häufig werden allgemeine Firmenpolicies wie Dienstwagenregelungen, Reiserichtlinien, Datenschutz, IT-Nutzungsrichtlinien, Verhaltensregeln oder auch alljährlich neue Reglungen zu Zielvereinbarungen (variable Vergütung) nur noch digital übermittelt oder im Intranet des Arbeitgebers hinterlegt. Eine Zustimmung zur Geltung dieser Regelungen wird – wenn überhaupt – nur noch digital eingefordert und bewerkstelligt.

Geltung digitaler Vereinbarungen
In der Praxis taucht daher immer häufiger die Frage auf, ob sich die Vertragsparteien denn überhaupt auf die digital vereinbarten oder auch nur digital mitgeteilten Regelungen berufen können, wenn eine Schriftformklausel im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Oder aus Sicht des Arbeitgebers: Kann der Arbeitgeber vom Mitarbeiter die Einhaltung von Policies z.B. zum Datenschutz oder zur IT-Nutzung verlangen, wenn diese entgegen der Schriftformklausel im Anstellungsvertrag nur digital vereinbart oder mitgeteilt sind?

Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen
Die Antwort lautet nein. Der Arbeitgeber muss sich insbesondere nach den Grundsätzen über vorformulierte Arbeitsverträge und allgemeine Arbeitsbedingungen an der Schriftformklausel festhalten lassen. Die Ahndung etwaiger Verstöße des Mitarbeiters gegen eine nur digital vereinbarte Policy dürfte sehr schwierig sein, wenn im – regelmäßig vom Arbeitgeber vorformulierten – Anstellungsvertrag eine Schriftformklausel vereinbart ist. Denn die relevante Policy ist nicht rechtswirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogen worden.

Der Arbeitnehmer kann sich auf das Günstigkeitsprinzip berufen
Andersherum kann sich der Arbeitnehmer aber nach dem Günstigkeitsprinzip durchaus auf die Geltung von digitalen Policies berufen, wenn die Geltung dieser digitalen Policies für ihn rechtlich oder wirtschaftlich vorteilhaft ist. Dem Arbeitgeber ist beispielweise bei der Geltendmachung einer privaten Nutzungsmöglichkeit für dienstliche IT durch den Arbeitnehmer der Einwand mangelnder Schriftform verwehrt, wenn die anspruchsbegründende IT-Policy nur digital verfasst, im Arbeitsvertrag aber eine Schriftformklausel vereinbart ist.

Eine Schriftformklausel im Arbeitsvertrag ist entbehrlich
Angesichts dieser für den Arbeitgeber unvorteilhaften Rechtslage muss man den Sinn einer Schriftformklausel in vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsverträgen in Frage stellen.

Der Arbeitgeber kommt seinen Pflichten aus dem Nachweisgesetz durch den in aller Regel schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrag hinreichend nach. Der Abschluss des Arbeitsvertrags in schriftlicher Form ist ohnehin schon deshalb ratsam, weil fast alle Arbeitsverträge mittlerweile befristet sind, nämlich auf das Erreichen der Altersgrenze zum Bezug der gesetzlichen Altersrente. Für diese Befristungsabrede gilt ohnehin die gesetzliche Schriftform.

Darüber hinaus sollte aber eine vertragliche Schriftformklausel nicht mehr in den Vertragstext aufgenommen werden. Hier würde genügen, dass Änderungen und Ergänzungen zum Anstellungsvertrag auch digital also in Textform, verfasst und beiderseits genehmigt werden müssen. Dies ist rechtlich einwandfrei, weil bis auf Kündigung, Aufhebungsvertrag und Befristung alle weiteren Regelungen im Arbeitsverhältnis maximal der Textform unterliegen. Dort, wo ausnahmsweise die Schriftform erforderlich ist, z.B. Geltendmachung eines Anspruchs auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit, gilt das Gesetz und die Parteien müssen sich an diese strenge Form halten, alles andere kann Digital geregelt und vereinbart werden.

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