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Neue BAG Entscheidung rückt Entgeltgleichheit wieder in den Fokus

März 2021 · Lesedauer: Min

Die Position der ArbeitnehmerInnen wird erheblich gestärkt

Im Gegensatz zur politischen Diskussion war es in der arbeitsrechtlichen Beratung lange Zeit still um das Thema Entgeltgleichheit. 

Seit der Einführung des Entgelttransparenzgesetzes 2017 steht ArbeitnehmerInnen gegen Unternehmen mit regelmäßig mehr als 200 Beschäftigten zwar ein gesetzlicher Auskunftsanspruch darüber zu, wieviel Beschäftigte des jeweils anderen Geschlechts in vergleichbarer Position durchschnittlich verdienen. Die Erfüllung des Auskunftsanspruchs war für den Arbeitgeber jedoch bisher nicht mit ernsthaften Konsequenzen verbunden, da Beschäftigte nach einhelliger Meinung keine finanziellen Ansprüche aus einer auf diese Weise offengelegten ungleichen Bezahlung herleiten konnten. 

In seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung hat das BAG die Position der ArbeitnehmerInnen nun aber erheblich gestärkt (BAG Urteil vom 21. Januar 2021, Az: 8 AZR 488/19). 

Unternehmen drohen jetzt unter Umständen hohe Nachzahlungen und Gehaltsanpassungen.

Das Urteil des BAG

Fällt das Entgelt einer Frau geringer als das einer Gruppe männlicher Kollegen in vergleichbarer Position aus, so besteht die Vermutung, dass die Benachteiligung gerade wegen des Geschlechts erfolgt ist.

So lautet der Leitsatz der bisher nicht vollständig veröffentlichten, aber bereits viel diskutierten neuen Entscheidung zum Entgelttransparenzgesetz.

Im vom BAG entschiedenen Fall verlangte die betreffende Arbeitnehmerin, die als Abteilungsleiterin beschäftigt war, von ihrem Arbeitgeber Auskunft darüber, wieviel ihre männlichen Kollegen in vergleichbarer Position verdienen. 

Der Arbeitgeber teilte ihr daraufhin mit, dass nach der gesetzlich vorgegebenen Berechnungsweise sowohl das Grundgehalt als auch die Zulage der klagenden Arbeitnehmerin geringer ausfalle als das Gehalt der männlichen Abteilungsleiter im Unternehmen.

Daraufhin klagte die Arbeitnehmerin den Unterschiedsbetrag zwischen ihrem Gehalt und dem durchschnittlichen Gehalt der männlichen Kollegen rückwirkend gerichtlich ein.

Unter Berufung auf europarechtliche Vorgaben entschied das BAG, dass bereits die Mitteilung des Arbeitgebers darüber, dass der Verdienst der Arbeitnehmerin unter dem Durchschnitt der männlichen Abteilungsleiter lag, eine widerlegbare Vermutung dafür begründe, dass die Arbeitnehmerin die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren habe.

Das BAG verwies deshalb den Rechtsstreit an die Vorinstanz zur weiteren Aufklärung zurück.

Das LAG Niedersachen hatte die Klage der Arbeitnehmerin noch abgewiesen. Als problematisch sah die Vorinstanz insbesondere an, dass das Gesetz die Berechnung des Vergleichsgehalts der Beschäftigten des anderen Geschlechts nicht anhand des Durchschnittswertes, sondern anhand des statistischen Medians vorgibt. Dieser habe jedoch keine Aussagekraft, so das LAG und ließ die Klage bereits deshalb scheitern. 

Tatsächlich kann das Heranziehen des Mediangehalts zur Prüfung der Entgeltgleichheit zu fragwürdigen Ergebnissen führen.

Der Unterschied in der Berechnungsweise zeigt sich an folgendem Beispiel: Angenommen sieben Beschäftigte mit vergleichbarer Tätigkeit haben durchschnittlich im letzten Kalenderjahr je EURO 1.600, 1.800, 2.000, 2.100, 2.700, 2.900 und 3.400 verdient, so beläuft sich der Median auf EURO 2.100 im Monat; der Durchschnitt läge hingegen bei ca. EURO 2.357. Im Extremfall kann sogar der Median weiblicher Beschäftigter über dem Median männlicher Beschäftigter liegen, obwohl die weiblichen Beschäftigten durchschnittlich weniger verdienen.

Die Einwände des LAG konnten das BAG jedoch offenbar nicht überzeugen. Dem BAG kam es vielmehr entscheidend darauf an, dass der Gesetzgeber selbst den statistischen Median als geeignet ansieht, um Entgeltungleichheiten aufzudecken. Die Tatsache, dass dem deutschen Gesetzgeber bei der Art und Weise der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben zur Entgeltgleichheit ein Spielraum verbleibt, darf in der Tat nicht dazu führen, dass Beschäftigten eine effektive Durchsetzung der Entgeltgleichheit vor den deutschen Gerichten überhaupt nicht möglich ist. 

Der Ball liegt nun also wieder beim Gesetzgeber, der sich durch die Entscheidungen veranlasst sehen sollte, eine für alle Beteiligten gerechtere Lösung zu finden.

Folgen der vermuteten Ungleichbehandlung
Die aufgrund des unterdurchschnittlichen Lohns begründete Vermutung für eine Diskriminierung kann der Arbeitgeber nur widerlegen, wenn er Tatsachen vortragen und ggf. beweisen kann, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht für die Höhe des Entgelts ausschlaggebend waren. Dieser Nachweis kann im Einzelfall sehr schwer zu erbringen sein. Insbesondere da das BAG in der vorliegenden Pressemitteilung bisher keine Kriterien aufgezeigt hat, mit denen sich der Vorwurf ungleicher Bezahlung entkräften ließe.

Eine diskriminierungsfreie Lohnpolitik wird der Arbeitgeber wohl am besten anhand eines (Punkte-)Schemas darlegen können, bei dem objektive Kriterien unterschiedliche Gewichtung finden und an dessen Ende eine nachvollziehbare Formel zur Ermittlung des Gehalts steht. 

Nachvollziehbare Gründe für ein unterschiedliches Gehalt könnten beispielsweise sein: 

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit

  • Akademischer Grad

  • Abschlussnote- und Arbeitszeugnisse

  • Relevante Berufserfahrungen

  • Objektive Zielerreichungen in der Vergangenheit

  • Zusatzqualifikationen (Zertifikate, Weiterbildungen, etc.)

  • Nachweisbare Softskills (bspw. auf Grund eines extern durchgeführten Assesments)

Für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gibt das Entgelttransparenzgesetz zudem bereits ein verpflichtendes betriebliches Prüfverfahren unter Beteiligung des Betriebsrates vor. In Betrieben mit weniger Beschäftigten, in denen ein Betriebsrat existiert, bietet sich hingegen insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen im Rahmen einer Betriebsvereinbarung an. 

Auswirkungen der Entscheidung
Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, das unterschiedliche Gehalt anhand objektiver Umstände zu rechtfertigen, könnten Beschäftigte gegebenenfalls versuchen, eine rückwirkende Nachzahlung des Unterschiedsbetrags bis zur Verjährungsgrenze verlangen (sog. „Anpassung nach oben“) und für die Zukunft zudem eine Angleichung der Gehälter durch den Arbeitgeber einzufordern. Anlass genug für Arbeitgeber, nach der Entscheidung des BAG der Thematik Entgeltgleichheit noch mehr Beachtung zu schenken. 

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