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Deutschland streikt!

April 2018 · Lesedauer: Min

Von Fall zu Fall: Wer trägt das Vergütungsrisiko bei Warnstreiks im öffentlichen Dienst?

Gewerkschaften rufen derzeit wieder zu Warnstreiks im öffentlichen Dienst auf: Im Bereich der Bodendienste am Flughafen, was zu Flugausfällen führt, bei Nahverkehrsbetrieben, aber auch bei Kitas, etc. Kurze schwerpunktmäßige Warnstreiks sollen stattfinden, die allerdings mit weitreichenden Folgen verbunden sind - nicht nur für die bestreikten Unternehmen, sondern vor allem für „nur“ mittelbar betroffene Arbeitgeber. Mittelbar betroffen sind die Unternehmen, die nicht direkt bestreikt werden, die aber infolge des Streiks bei anderen Unternehmen Beeinträchtigungen erfahren, z.B. weil Ware nicht geliefert wird oder Mitarbeiter nicht zur Arbeit erscheinen können. Gerade bei den mittelbar vom Streik betroffenen Unternehmen sind die Folgen besonders spürbar.

Doch wer muss für die streikbedingten Arbeitsausfälle bei Arbeitgebern geradestehen, die nicht unmittelbar selbst vom Streik betroffen sind?

1. Fall: Ein Mitarbeiter kann wegen des Streiks der Nahverkehrsbetriebe nicht von zuhause an den Arbeitsplatz gelangen, weil er kein Privatfahrzeug besitzt und anders als mit Bus und Bahn nicht in den Betrieb gelangt.

Grundsätzlich ist jeder Mitarbeiter selbst dafür verantwortlich, dass er zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Arbeitsort erscheint. Erscheint er nicht, verliert er seinen Anspruch auf Vergütung, denn nur wer tatsächlich arbeitet, verdient sich seinen Lohn. Nur ganz ausnahmsweise behält der Mitarbeiter seinen Vergütungsanspruch, wenn er nicht arbeitet, z.B. im Falle von Urlaub oder Krankheit. Oder im Falle des § 616 BGB. Nach dieser Vorschrift, behält der Mitarbeiter auch ohne gearbeitet zu haben seinen Vergütungsanspruch, wenn er für eine kurze Zeit aus in seiner Person liegenden Gründen, gehindert ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Bei einem Streik kann sich der Mitarbeiter allerdings nicht auf „höhere Gewalt“ berufen. Das streikbedingte Fernbleiben von der Arbeit liegt zudem nicht in der Person des Mitarbeiters, sondern eben am streikbedingten Ausfall der öffentlichen Verkehrsmittel. Hier ist die Situation nicht anders als zum Beispiel beim Ausfall der öffentlichen Verkehrsmittel durch Unwetter, Sturm oder Wintereinbruch. Deshalb verliert der Mitarbeiter den Vergütungsanspruch, wenn er streikbedingt nicht zur Arbeit erscheint.

In der Praxis werden derartige Situationen aber oft durch flexible Arbeitszeitmodelle abgefedert. Ausgefallene Arbeitszeit wird nicht selten mit Zustimmung des Arbeitgebers dann mit Arbeitszeitguthaben oder Gleitzeit ausgeglichen.

2. Fall: Ein Mitarbeiter soll eine Dienstreise mit dem Flugzeug antreten, der Flug wird aber gestrichen und der Mitarbeiter kann nicht an seinen Einsatzort gelangen.

Der Arbeitgeber muss den vereinbarten Lohn trotz Arbeitsausfall bezahlen, wenn der Arbeitsausfall in das sogenannte Betriebsrisiko des Arbeitgebers fällt. Hier ist im Streikfall zu differenzieren: Das Risiko eines Arbeitsausfalls infolge eines rechtmäßigen Streiks muss jeder Arbeitgeber als Teil seines Betriebsrisikos tragen, auch wenn der Arbeitgeber nur mittelbar vom Streik betroffen ist. Der Mitarbeiter, der sich also auf Dienstreise befindet und seinen Bestimmungsort wegen Streiks nicht erreichen kann, behält seinen Vergütungsanspruch. Ist der Streik jedoch rechtswidrig, kann der Arbeitgeber unter Umständen die Lohnzahlung verweigern und seinen Mitarbeiter auf dessen Schadensersatzanspruch gegen die zum „wilden“ Streik aufrufenden Gewerkschaften oder gar gegen die einzelnen „wild“ streikenden Arbeitnehmer verweisen. Bei nur sehr kurzen wilden Streiks von wenigen Tagen ist allerdings richterlich entschieden, dass es dem Mitarbeiter unzumutbar wäre, ihn auf Schadensersatzansprüche gegen die Gewerkschaft und erst recht gegen einzelne rechtswidrig streikende Arbeitnehmer zu verweisen. Also auch in diesen Fällen trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko für den Arbeitsausfall.

3. Fall: Ein Mitarbeiter kann die Fremdbetreuung seines Kindes nicht sicherstellen und muss wegen des Streiks in der Kita seines Kindes die Betreuung selbst übernehmen, weshalb er nicht zur Arbeit erscheinen kann.

Ein Vater oder eine Mutter ist gesetzlich zur Personensorge gegenüber dem eigenen Kind verpflichtet. Diese Verpflichtung steht der vertraglichen Arbeitspflicht gegenüber. Diesem Dilemma kann sich der Mitarbeiter nur dadurch entziehen, dass er eine der beiden Pflichten verletzt. Kommt der Mitarbeiter seiner Betreuungspflicht gegenüber dem Kind nach und erscheint deshalb nicht zur Arbeit, ist dies ein an der Arbeitsleistung hindernder Umstand, der in der Person des Arbeitnehmers liegt. Folglich behält der Mitarbeiter seinen Vergütungsanspruch - § 616 BGB sei Dank – zumindest für eine gewisse, wenn auch nicht lange Zeit.

4. Fall: Infolge des Streiks werden Produktionsmittel nicht geliefert und der Arbeitgeber kann die Mitarbeiter in seinem Betrieb nicht beschäftigen.

Hier ist die Lage eindeutig: Das Risiko des Produktionsausfalls infolge eines Streiks trägt der Arbeitgeber. Der Mitarbeiter ist ja zur rechten Zeit am rechten Ort und bietet seine Arbeitskraft so an, wie es vertraglich vereinbart ist. Kann der Arbeitgeber den Mitarbeiter nicht beschäftigen, weil die Produktionsmittel fehlen, gerät er in Annahmeverzug und muss dem Mitarbeiter die Vergütung bezahlen, obwohl dieser nicht arbeitet.

Fazit:
Wenn Deutschland streikt, trifft es auch unbeteiligte Arbeitgeber. Dies gilt vor allem für Streiks im Verkehrssektor und in Betreuungseinrichtungen. Nur selten trägt der Mitarbeiter das Risiko des Arbeitsausfalls.

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