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School's out – forever? Entschädigungsanspruch bei Kinderbetreuung

Mai 2020 · Lesedauer: Min

Welche Rechte haben Arbeitnehmer, welche Pflichten treffen den Arbeitgeber?

In das Infektionsschutzgesetz (IfSG) wurde mit § 56 Absatz 1a ein Entschädigungsanspruch für Verdienstausfälle bei behördlicher Schließung von Schulen und Kitas aufgenommen. Zweck dieser Norm ist es, einen Verdienstausfall des Arbeitnehmers durch staatliche Entschädigung aufzufangen. Welche Rechte stehen Arbeitnehmern zu und welche Verpflichtungen treffen den Arbeitgeber?

Bisherige Situation für Arbeitnehmer

Durch die andauernden Schul- und Kitaschließungen aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie besteht weiterhin eine erhebliche Belastung für Eltern, die Betreuung ihrer Kinder sicherzustellen. Besonders hart sind die Arbeitnehmer betroffen, die nicht im Home-Office arbeiten können. Sie mussten bisher unbezahlt zu Hause bleiben, wenn die Kinderbetreuung anders nicht gewährleistet werden konnte.

Eine Fortzahlung des Entgelts von Arbeitgeberseite gemäß § 616 BGB kommt nach überwiegender Auffassung nicht in Betracht, da die Verhinderung des Arbeitnehmers nicht nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit gegeben ist. Vielmehr fällt der Unterricht bzw. die Betreuungsmöglichkeit in Kitas und Schulen für einen mehrwöchigen Zeitraum aus.

Bisher hatte der Arbeitnehmer die Möglichkeit seine Arbeitsleitung zu verweigern, wenn die Personensorge nicht angemessen durch den anderen Elternteil oder einen Dritten wahrgenommen werden kann. Durch diese Möglichkeit liegt keine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vor, welche zur Aussprache einer Abmahnung oder Kündigung notwendig wäre. Allerdings entfällt durch die Nichterbringung der Arbeitsleistung auch der Anspruch auf Arbeitsentgelt, sodass die Kinderbetreuung zu einem Verdienstausfall führt. Diesen Verdienstausfall soll nun die Entschädigung nach § 56 Abs. 1a IfSG auffangen. Die Regelung ist bis zum 31.12.2020 begrenzt.

Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs

Für den Entschädigungsanspruch müssen folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

1. Behördliche Schließungsanordnung an Schule/Kita des Kindes

  • Hiervon erfasst sein dürften auch teilweise Schulschließungen z.B. für einzelne Jahrgangsstufen oder andere behördliche Infektionsschutzmaßnahmen, wie z.B. die in Bayern derzeit diskutierten Klassenteilungen (die Klassen werden geteilt und ein Teil der Kinder geht zur Schule, der andere Teil lernt zu Hause und es findet ein wöchentlicher/tageweiser Wechsel statt). Für die Zeiten, in denen die Kinder nicht in die Schule dürfen, sondern zu Hause lernen, ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ebenfalls von einer Schulschließung auszugehen.

2. Betreuungspflichtiges Kind unter zwölf Jahren oder behindertes Kind, das auf Hilfe angewiesen ist

3. Die Betreuung erfolgt durch den erwerbstätigen Sorgeberechtigten

4. Anderweitige Betreuung nicht möglich

  • Zu beachten ist, dass zur Kinderbetreuung derzeit jedenfalls nicht auf den Einsatz von Corona-Risikogruppen (z.B. Großeltern) zurückgegriffen werden muss.

  • Aufgrund der gelockerten Kontaktverbote ist jedoch zu klären, ob die Betreuung durch Verwandte oder Freunde möglich ist.

  • Besteht ein Anspruch auf Notbetreuung, ist diese ebenfalls vorrangig. Hier ist zu beachten, dass sich die Voraussetzungen für den Anspruch auf Notbetreuung in den einzelnen Bundesländern geändert haben und mittlerweile mehr Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Notbetreuung haben (z.B. gelten mehr Berufe als systemrelevant). Es empfiehlt sich daher für den Arbeitnehmer vorab bei der Schule/Kita nachzufragen, ob eine Notbetreuung möglich ist.

  • Besteht die Möglichkeit zur Arbeit im Home-Office und ist die Arbeit im Home-Office zumutbar (unzumutbar kann die Arbeit im Home-Office z.B. bei mehreren kleinen Kindern oder einem sehr stark fordernden (z.B. behinderten) Kind neben einer Vollzeittätigkeit sein), ist diese Möglichkeit ebenfalls vorrangig zu nutzen. Ein Entschädigungsanspruch besteht in dem Fall nicht.

5. Verdienstausfall wegen der Betreuung

  • Der Verdienstausfall muss auf der Kinderbetreuung beruhen.

  • Sofern Arbeitnehmer in sogenannter »Kurzarbeit null« sind, besteht daher kein Anspruch. Wenn die Kurzarbeit zu einer Arbeitszeitverkürzung führt, ist die Kinderbetreuung in der durch die Kurzarbeit entfallenden Arbeitszeit möglich und ein Anspruch entfällt in diesem Umfang. Ein Entschädigungsanspruch kommt somit nur für die Zeiten in Betracht, in welcher die Arbeitszeit nicht durch Kurzarbeit entfällt.

  • Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist dem Ersatzanspruch nach § 56 Absatz 1a IfSG ebenso vorrangig. Ist der Arbeitnehmer somit arbeitsunfähig erkrankt, besteht kein Entschädigungsanspruch.

  • Ein Verdienstausfall besteht ebenso nicht, wenn es andere Möglichkeiten gibt, der Tätigkeit vorübergehend bezahlt fernzubleiben (Abbau von Zeitguthaben oder Urlaub aus dem Vorjahr sowie bereits vorab verplanter Urlaub für dieses Jahr). Arbeitnehmer sind aber nicht verpflichtet erst ihren gesamten Jahresurlaub für das laufende Kalenderjahr in Anspruch zu nehmen, bevor sie den Entschädigungsanspruch geltend machen können.

6. Die Schließung erfolgt nicht ohnehin wegen Schulferien

  • Ein Entschädigungsanspruch kommt darüber hinaus nicht in Betracht, wenn die Kinderbetreuung aufgrund der regulären Schulferien anfällt.

Wichtig ist, dass der Arbeitnehmer den Notstand bei der Betreuung auf Verlangen glaubhaft machen muss. Für eine Glaubhaftmachung genügt eine schriftliche Erklärung des Arbeitnehmers bezüglich der oben genannten Punkte (Notbetreuung, Betreuung durch Verwandte/Freunde/anderen Elternteil nicht möglich, ebenso keine zumutbare Möglichkeit im Home-Office zu arbeiten). Eine solche Erklärung sollte von dem Arbeitnehmer in jedem Fall von Seiten des Arbeitgebers verlangt werden. Sollte sich herausstellen, dass entgegen der gemachten Angaben des Arbeitnehmers anderweitige Betreuungsmöglichkeiten bestanden haben, erleichtert die schriftliche Erklärung etwaige arbeitsrechtliche Maßnahmen.

Die gesetzliche Regelung des § 56 Absatz 1a IfSG enthält aus Arbeitgebersicht leider keine Möglichkeit, dem Anspruch des Arbeitnehmers auf sechswöchige Kinderbetreuung dringende betriebliche Gründe entgegenzuhalten. Sofern die oben genannten Voraussetzungen vorliegen, kann der Arbeitnehmer daher Freistellung verlangen.

Höhe des Entschädigungsanspruchs

Die Entschädigung beläuft sich auf 67 % des monatlichen Nettoeinkommens, ist jedoch auf einen monatlichen Höchstbetrag in Höhe von EUR 2.016,00 begrenzt.

Der Entschädigungsanspruch ist nicht steuerpflichtig. Die Entschädigungszahlung wird also ohne einen Steuerabzug ausgezahlt.

Der bestehende Versicherungsschutz in der Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung wird fortgeführt. Zunächst entrichtet grundsätzlich der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge auf einer Bemessungsgrundlage von 80 % des Arbeitsentgelts. Der Arbeitgeber kann sich diese Beiträge im Nachgang erstatten lassen.

Auszahlung durch den Arbeitgeber

Die Auszahlung übernimmt für die ersten sechs Wochen der Arbeitgeber, der bei der zuständigen Landesbehörde dann einen entsprechenden Erstattungsantrag stellen kann. Für den Fall, dass der Arbeitgeber nicht in Vorleistung gehen kann, kann er einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrages bei der zuständigen Stelle beantragen.

Die sechs Wochen müssen wohl nicht am Stück genommen werden, sondern es hat nach dem Gesetzeszweck eine Umrechnung entsprechend der Anzahl der Arbeitstage auf insgesamt sechs Wochen zu erfolgen (30 Tage bei einer 5-Tage-Woche). Die Entschädigung kann daher wohl je nach Betreuungsbedarf auch wochen- oder tageweise (bis zur Höchstgrenze von insgesamt sechs Wochen) beansprucht werden.

Erstattungsanspruch des Arbeitgebers

Der Antrag auf Erstattung der vorgeleisteten Zahlungen kann durch den Arbeitgeber formlos bei der zuständigen Behörde gestellt werden. Um ein unbürokratisches Verfahren zu ermöglichen, werden in vielen Bundesländern Onlineformulare oder anderweitige erleichternde Antragsmöglichkeiten bereitgestellt.

Die Entschädigung sollte innerhalb von drei Monaten nach Auftreten des Betreuungsnotstandes beantragt werden.

Sprechen Sie uns an!

Gerne sind wir Ihnen bei allen Fragen rund um den Entschädigungsanspruch behilflich.
Senior Associate München
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Insa Ritter
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