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Die Kün­di­gung eines Aus­zu­bil­den­den - aus­sichts­los oder nur au­ßer­ge­wöhn­lich schwer?

Oktober 2022 · Lesedauer: Min

Die Beschäftigung von Auszubildenden bringt eine Vielzahl von Besonderheiten mit sich. So ist bereits die Einordnung, wer Auszubildender im Sinne des BBiG ist, oft nicht ohne weiteres möglich, worüber wir bereits an dieser Stelle berichtet haben. Zudem kommt es auch im Ausbildungsverhältnis regelmäßig vor, dass Arbeitgeber sich mit Pflichtverletzungen oder Low-Performance konfrontiert sehen. Speziell die Kündigung eines Auszubildenden stellt Arbeitgeber vor große Herausforderungen. Worauf dabei zu achten ist, zeigen wir Ihnen in diesem Beitrag auf:

 

Wie kann ein Auszubildendenverhältnis überhaupt beendet werden?

Anders als in „normalen“ Arbeitsverhältnissen beträgt die Probezeit bei Auszubildenden mindestens einen Monat und kann auf maximal vier Monate ausgeweitet werden. Während der Probezeit ist es dem Arbeitgeber möglich, das Ausbildungsverhältnis ohne Angabe von Gründen und ohne Einhalten einer Kündigungsfrist zu kündigen. Nach Ablauf der Probezeit kann ein Ausbildungsverhältnis gem. § 22 Abs. 2 Nr. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) jedoch nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Für den Ausbildenden gibt es sonst keine anderweitige Kündigungsmöglichkeit.

 

Vom Vorliegen eines wichtigen Grundes ist nur bei erheblicher Gefährdung des Ausbildungsziels und gleichzeitiger Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses auszugehen. Hierbei handelt es sich um eine sehr hohe Hürde. Der Prüfungsmaßstab ist im Vergleich zu einer außerordentlichen Kündigung im Arbeitsverhältnis noch einmal deutlich verschärft. Bei der Bewertung des Fehlverhaltens sind sowohl das jugendliche Alter als auch der Ausbildungszweck zu berücksichtigen.  Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zudem zu prüfen, ob alle denkbaren pädagogischen Mittel und die Einschaltung des gesetzlichen Vertreters vor Ausspruch der Kündigung ausgeschöpft worden sind. Je näher die für den Ausbildungsabschluss notwendige Abschlussprüfung rückt, desto höher sind die Anforderungen, die arbeitgeberseitig vor Ausspruch einer Kündigung erfüllt sein müssen. Aufgrund dieser Besonderheiten ist eine Kündigung kurz vor Abschluss der Ausbildung in der Praxis nahezu kaum möglich.

 

Was muss vor Kündigungsausspruch beachtet werden?

Zwar können einzelne an sich als wichtiger Grund geeignete Pflichtverletzungen je nach Sachverhalt eine außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses rechtfertigen. Auch hier besteht jedoch grundsätzlich das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung. Es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie im Arbeitsverhältnis. Hinzukommt, dass teilweise vertreten wird, dass es um dem besonderen rechtlichen Status des Auszubildenden gerecht zu werden, eines zahlenmäßigen Plus an erforderlichen Abmahnungen bedarf. So sollen bei sonst erforderlichen drei Abmahnungen eine weitere, bei komplexen Pflichtverletzungen drei plus zwei Abmahnungen und bei höchster Komplexität drei plus drei Abmahnungen vor Ausspruch einer Kündigung eines Auszubildenden erforderlich sein. Derartige schematische Betrachtungen sind allerdings nicht sachgerecht. Ganz entbehrlich ist eine Abmahnung jedenfalls nur dann, wenn der Auszubildende jede Einsicht in die Tragweite seines Verhaltens vermissen lässt. Davon ist nur in sehr speziellen Einzelfällen auszugehen.

 

Worauf ist sonst zu achten und welche Besonderheiten gelten?

Eine weitere Besonderheit bei der Kündigung von Auszubildenden spielt sich im prozessualen Bereich ab. Bei Streitigkeiten aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis kann nicht sofort Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden. Vielmehr bedarf es zuvor der Anrufung des Schlichtungsausschusses, wenn ein solcher errichtet worden ist. Die in § 111 Abs. 2 S. 5 ArbGG vorgeschriebene Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuss ist Prozessvoraussetzung für eine Klage, auf die nicht von den Prozessparteien verzichtet werden kann. Eine zuvor erhobene Klage ist unzulässig. Die Prozessvoraussetzungen müssen jedoch erst beim Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen, d.h. das Schlichtungsverfahren kann bis zum Kammertermin nachgeholt werden. Das Schlichtungsverfahren muss dann aber jedenfalls zu diesem Zeitpunkt beendet und der Spruch nicht anerkannt sein.

 

Eine weitere Besonderheit ist, dass gem. § 22 Abs. 3 BBiG die Kündigung nicht nur – wie sonst auch – schriftlich erfolgen muss. Es sind auch zwingend immer die Kündigungsgründe anzugeben.

 

Was ist Arbeitgebern daher zu empfehlen?

Arbeitgebern ist dringend zu empfehlen, die Probezeit bestmöglich zu nutzen und sich rechtzeitig mit einem etwaigen Trennungsszenario auseinanderzusetzen. Nach Ablauf der Probezeit ist die Kündigung eines Auszubildenden nahezu unmöglich – wenn auch nicht aussichtslos. Die Probezeit sollte daher nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern auch in fachlicher Hinsicht ausgenutzt werden, um zu entscheiden, ob die Ausbildung im Unternehmen durchgeführt werden soll. Erfolgt ein Kündigungsausspruch nach Ablauf der Probezeit, sollte dieser zuvor gut vorbereitet werden, da die Angabe der Kündigungsgründe spätere Handlungsmöglichkeiten einschränkt.

 

Ist der Auszubildende noch minderjährig, muss die vom Ausbildenden ausgesprochene Kündigung zudem zwingend dem gesetzlichen Vertreter zugehen.

 

Unabhängig von zuvor dargestelltem, kann das Ausbildungsverhältnis von den Vertragsparteien jederzeit einvernehmlich durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages entweder mit sofortiger Wirkung oder zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt beendet werden. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass angesichts des hohen Schutzniveaus seitens des Auszubildenden daran in der Regel sehr geringes Interesse besteht.

 

Dies gilt insbesondere wenn man berücksichtigt, was im Falle des Nichtbestehens der Abschlussprüfung geschieht. Verlangt es der Auszubildende, verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung. Arbeitgeber, die sich eigentlich von dem betroffenen Auszubildenen trennen wollen, können jedoch aufatmen: die Verlängerung beträgt höchstens ein Jahr.

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