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Betriebsratsvergütung und Compliance – aktuelle und künftige Rechtslage

Juli 2024 · Lesedauer: Min

Der Bundestag hat am 28. Juni 2024 die gesetzliche Klarstellung zur Betriebsratsvergütung durch eine Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes beschlossen. Zwar treten die Neuregelungen damit noch nicht in Kraft; allerdings ist dies ein guter Anlass, um sich das richtige Vorgehen bei der Bemessung der Betriebsratsvergütung nochmals vor Augen zu führen.

Anlass der beschlossenen Novellierung des BetrVG ist das Urteil des BGH vom 10. Januar 2023 (6 StR 133 / 22). In dem Urteil hatte der BGH entschieden, dass die Gewährung eines überhöhten Arbeitsentgelts an ein Betriebsratsmitglied den Straftatbestand der Untreue (§ 266 StGB) erfüllen kann. Dies führte in der Praxis zu Rechtsunsicherheiten und vermehrt zu präventiven Kürzungen von Betriebsratsvergütungen.

Das Urteil veranlasste das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), einen Referentenentwurf zur gesetzlichen (Neu-)Regelung der Betriebsratsvergütung vorzulegen. Dem darauf basierenden Regierungsentwurf stimmte der Bundesrat am 15. Dezember 2023 und nunmehr auch der Bundestag zu.

Ziel der Gesetzesänderung ist laut BMAS, die bestehende Rechtslage klarzustellen und das Risiko von Verstößen redlicher Arbeitgeber und Betriebsratsmitglieder gegen das betriebsverfassungsrechtliche Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot zu reduzieren. Neue oder zusätzliche Entgeltansprüche werden ausdrücklich nicht geschaffen.

Unter Berücksichtigung der geltenden Rechtslage im Zusammenspiel mit den gesetzlichen Änderungen ist hinsichtlich der Vergütung von Betriebsräten Folgendes zu beachten:

  • Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.

  • Für Arbeitsbefreiungen zugunsten von Betriebsratsarbeit gilt das Lohnausfallprinzip.

  • Betriebsratsmitglieder dürfen wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Dies gilt auch für die berufliche Entwicklung einschließlich des Arbeitsentgelts der Betriebsratsmitglieder und durch einen Mindestvergütungsanspruch ergänzt.

  • Zur Bestimmung der mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen.

  • Die Betriebsparteien können ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer in einer Betriebsvereinbarung regeln oder eine abschließende Festlegung in Textform vornehmen.

Die richtige Bemessung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze kann komplex sein – dies gilt insbesondere für Betriebsmitglieder, die über lange Zeiträume freigestellt sind. Um sich in diesem schwierigen Feld zurechtzufinden, sollen die wichtigsten Grundsätze nachfolgend aufgezeigt werden.

Ehrenamtsprinzip

Das Betriebsratsamt ist ein Ehrenamt und wird daher unentgeltlich geführt (§ 37 Absatz 1 BetrVG). Das Ehrenamtsprinzip sichert die Unabhängigkeit der Mitglieder des Betriebsrats.

Lohnausfallprinzip

Für Betriebsratstätigkeiten sind die Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit dies zur ordnungsgemäßen Ausübung ihres Betriebsratsamtes erforderlich ist. Dabei ist das Arbeitsentgelt während der Freistellung nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen. Dem Betriebsratsmitglied ist demnach das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, welches es erhalten hätte, wenn es ohne die Betriebsratstätigkeit regulär gearbeitet hätte. Das Arbeitsentgelt umfasst nicht nur die Grundvergütung, sondern auch variable Vergütungsbestandteile, Sonderzahlungen (bspw. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) oder Anwesenheitsprämien. Darüber hinaus können auch Zuschläge oder Zulagen umfasst sein.

Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot

Zur Wahrung der Unabhängigkeit der Mitglieder des Betriebsrats dürfen diese wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder begünstigt noch benachteiligt werden (§ 78 Satz 2 BetrVG). Dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung einschließlich des sich daraus ergebenden Arbeitsentgelts.

Mindestentgeltschutz

Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf bis einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung (§ 37 Absatz 4 Satz 1 BetrVG). 

Die Anwendung dieser Vorschrift hat in der Vergangenheit häufig zu Rechtsunsicherheit geführt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich daneben gemäß der Rechtsprechung des BAG, ein unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung (auch) aus dem Benachteiligungsverbot (§ 78 Satz 2 BetrVG) ergeben kann, wenn sich eine geringere Vergütung als Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit darstellt.

Vor diesem Hintergrund werden durch die Gesetzesänderung sowohl § 37 Absatz 4 als auch § 78 Satz 2 BetrVG im Einklang mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BAG ergänzt.

Klarstellungen durch die Änderung des BetrVG

Entsprechend der hierzu ergangenen Rechtsprechung heißt es in § 37 Absatz 4 BetrVG nun klarstellend, dass zur Bestimmung der mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen ist. Bei Vorliegen eines sachlichen Grundes kann eine Neubestimmung der Vergleichsgruppe vorgenommen werden (Beispiel: Das Betriebsratsmitglied erfüllt die Anforderungen einer höherdotierten Stelle und schließt einen entsprechenden Änderungsvertrag mit dem Arbeitgeber). Betriebsrat und Arbeitgeber können ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer in einer Betriebsvereinbarung regeln. Dies entspricht der geltenden Rechtsprechung und ergibt sich nun auch aus dem BetrVG. Wird eine solche Betriebsvereinbarung vereinbart, kann die darin erfolgte Konkretisierung der Vergleichbarkeit nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Gleiches gilt für eine anschließende Festlegung der konkreten Vergleichspersonen durch Arbeitgeber und Betriebsrat, wenn sie in Textform festgehalten wird. Ein Initiativrecht des Betriebsrats zur Erzwingbarkeit einer solchen Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber enthält die Gesetzesänderung nicht.

Das in § 78 BetrVG geregelte Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot wird insoweit konkretisiert, als dass eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt dann nicht vorliegt, wenn das Betriebsratsmitglied die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgte.

Unter Bezugnahme auf das eingangs erwähnte Urteil des BGH lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen, dass es bei einer Stellenbesetzung sachlich gerechtfertigt sein kann, auch die durch und während der Betriebsratsamtstätigkeit erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen zu berücksichtigen, soweit sie im Unternehmen auch außerhalb des Betriebsratsamts für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant sind, denn sie seien das Ergebnis eines individuellen persönlichen Lernprozesses des Betriebsratsmitglieds und nicht ohne weiteres durch eine Funktion im Betriebsrat oder einem seiner Ausschüsse oder Gremien vorgegeben. Nicht berücksichtigungsfähig sei dagegen, dass etwa ein Mitglied des Betriebsrats ggf. mit Vorständen und Managern „auf Augenhöhe verhandelt“ oder „komplexe Aufgaben“ wahrnimmt oder in „unternehmerische Entscheidungskomplexe eingebunden“ ist. Diese Maßstäbe knüpften in unzulässiger Weise an die Betriebsratstätigkeit an und könnten nicht auf das BetrVG gestützt werden.

Was bedeutet dies für die betriebliche Praxis?

Ebenso wie das Benachteiligungsverbot ist das Begünstigungsverbot ein grundlegendes Prinzip des Betriebsverfassungsgesetzes, dessen Missachtung strafbar sein kann. Die Strafbarkeit kann sich aus dem BetrVG selbst (§ 119 BetrVG) sowie dem StGB (wegen Untreue gemäß § 266 StGB) ergeben. Ob die Änderung des BetrVG die nötige Rechtssicherheit bringt, muss sich erst noch zeigen.

Arbeitgeber sollten sich in jedem Fall nicht dazu hinreißen lassen, Mitgliedern des Betriebsrats unzulässige Vorteile zu gewähren – etwa in der Erwartung oder Hoffnung, dass das begünstigte Betriebsratsmitglied deshalb wohlgesonnener gegenüber dem Arbeitgeber agiert.

Nicht zu vergessen ist dabei auch, dass Vereinbarungen, die gegen das Begünstigungsverbot verstoßen, nichtig sind. Das heißt, daraus hergeleitete Ansprüche können nicht eingeklagt werden. Ist eine Begünstigung jedoch bereits gewährt, soll die Rückforderung wegen nach der Rechtsprechung des BAG (5 AZR 11/17) wegen ungerechtfertigter Bereicherung möglich sein.

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