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Corona-Tests und Antikörpertest – Was kann, darf, muss der Arbeitgeber tun?

Mai 2020 · Lesedauer: Min

Ein Überblick über die rechtlichem Rahmenbedingungen

Bei aller babylonischen Verwirrung sind sich Wissenschaftler und Politiker einig: Es muss mehr getestet werden, um belastbarere Zahlen der Corona-Infektionen und Heilungsraten zu erhalten. Können auch Arbeitgeber mit Corona-Tests und Antikörpertests Hilfestellung leisten?

(Noch) fehlen gesetzliche Rahmenbedingungen
Nach den am 23. April 2020 veröffentlichten Arbeitsschutzstandards muss der Arbeitgeber auf der einen Seite betriebliche Regelungen zur raschen Aufklärung von COVID-19 Verdachtsfällen treffen. Auf der anderen Seite ist der insbesondere besonders gefährdeten Mitarbeitern gegenüber zur arbeitsmedizinischen Vorsorge verpflichtet.

Derzeit basieren Gesundheitsangebote in der Regel auf die Freiwilligkeit und Bereitschaft der Arbeitnehmer, dies auch in Anspruch zu nehmen. Selbstverständlich unterliegen in diesem Rahmen durchgeführte Untersuchungen der ärztlichen Schweigepflicht. Allerdings haben das Landesarbeitsgericht Hamm und das Landesarbeitsgericht Hessen jeweils bei ansteckenden Krankheiten zumindest eine eigenständige Melde- und Offenbarungspflicht der Arbeitnehmer angenommen, sodass der Arbeitnehmer angesichts der dynamischen Entwicklung der Corona-Pandemie ohnehin verpflichtet wäre, nicht nur dem Gesundheitsamt, sondern auch dem Arbeitgeber eine ansteckende Erkrankung zu melden.

Denkbar sind darüber hinaus verpflichtende Corona-Tests im Zuge eines Pandemiekonzepts des Arbeitgebers, insb. zur Aufklärung von Verdachtsfällen. Ideal wäre eine gesetzliche Grundlage, die die genauen Voraussetzungen für solche obligatorischen Tests an Arbeitnehmern festlegt. Noch ist der Gesetzgeber hier nicht aktiv geworden, weshalb eine spezifische Regelung aktuell fehlt. Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zu der Thematik zeigen jedoch, dass auch vertragliche oder tarifrechtliche Einigungen die Grundlage für verpflichtende Gesundheitstests darstellen können.

Konkret bedeutet dies für Arbeitgeber, dass von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden sollte, solche Vereinbarungen entweder individuell mit den Arbeitnehmern oder Arbeitnehmervertretern kollektivrechtlich zu treffen.

Schutzpflicht des Arbeitgebers und Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers
Verpflichtende Corona-Tests erfordern immer gewichtige Arbeitgeberinteressen, da diese teils massiv in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers eingreifen. Definitiv können die arbeitgeberrechtlichen Schutzpflichten aus § 618 BGB einen solchen gewichtigen Grund darstellen.

Das LAG Berlin-Brandenburg hat bereits entschieden, dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, darauf zu achten, dass bestimmte Arbeitnehmer nur dann zur Arbeit erscheinen, wenn aus arbeitsmedizinischer Sicht feststeht, dass sie weder für sich noch für andere Personen ein Sicherheitsrisiko darstellen. In der Literatur werden vor allem Übertragungswege und die konkrete Ansteckungsgefahr bei der Tätigkeit herangezogen, um die Rechtmäßigkeit ärztlicher Untersuchungen zu begründen.

Die Grenze für derartige Untersuchungen bildet dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Persönlichkeitsschutz des Art. 2 I GG gebietet letztlich, dass nur die Maßnahmen hingenommen werden müssen, die notwendig und geeignet sind, um eine Ansteckungsgefahr auszuschließen.

Für eingreifende Maßnahmen muss auch noch nicht zwangsläufig eine konkrete Gefahr vorliegen. Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahr 2014 bereits entschieden, dass Eingriffe in die Arbeitnehmerrechte bereits bei Interessen präventiver Natur gerechtfertigt sein können. Eine Grenze wird regelmäßig aber die körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers darstellen. Dies bedeutet, dass verpflichtende Abstriche aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum vertretbar und verhältnismäßig sein können, im Gegensatz aber Blutproben keinesfalls gerechtfertigt sein werden. Aus diesem Grunde scheiden auch Antikörpertests nach Anweisung des Arbeitgebers aus, weil für diese Tests zwingend eine Blutentnahme erforderlich ist.

Ansprüche der Arbeitnehmer
Es gibt keinen originären Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf Durchführung und Zahlung von Corona-Tests oder Impfungen.

Sollte das Schutzkonzept aber nur einigen Mitarbeitergruppen kostenlose Leistungen gewähren, kann hier ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegen, da diese auch Vergünstigungen des Arbeitgebers darstellen. Daraus könnten benachteiligte Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Vergünstigung ableiten, falls kein sachlicher Grund für die Schlechterstellung vorliegen sollte.

Ein darüberhinausgehender Erfüllungsanspruch dürfte jedoch kaum durchsetzbar sein. Aus den arbeitgeberrechtlichen Schutzpflichten nach § 618 BGB kann sich ein konkreter Erfüllungsanspruch allenfalls ergeben, wenn sich die spezifische Maßnahme als »alternativlos« konkretisiert hat. Das wird kaum jemals der Fall sein. Welche genauen Schutzmaßnahmen der Arbeitgeber ergreift, liegt ansonsten aber im Ermessen des Arbeitgebers, sodass ein Anspruch auf eine spezifische Schutzmaßnahme ausscheidet ist.

Einbeziehung des Betriebsrates
Bei der Durchführung von Corona-Tests müssen zudem Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats berücksichtigt werden.

Bei den Tests handelt es sich um Maßnahmen im Bereich des Arbeitsschutzes, die durch den Betriebsrat gem. §§ 80 I Nr. 1 und 9, 89 BetrVG überwacht werden, sodass dieser entsprechende Informationsrechte hat. Darüber hinaus hat der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht aufgrund des § 87 I Nr. 7 BetrVG bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes und nach § 87 I Nr. 1 BetrVG bei Fragen zur Ordnung des Betriebes und dem Verhalten der Arbeitnehmer. Sollte der Arbeitgeber kostenlose Angebote schaffen (also auch kostenlose Corona-Tests) kann dies auch unter dem Aspekt der Lohngestaltung wegen § 87 I Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig sein.

Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen
Am 13.03.2020 veröffentlichte die DSK eine gesonderte Pressemitteilung zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von Gesundheitstest durch den Arbeitgeber angesichts der Coronakrise. Die Berechtigung zur Verarbeitung personenbezogener Mitarbeiterdaten ergibt sich danach grundsätzlich aus § 26 Abs 1 BDSG bzw. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO i.V.m. §§ 618 BGB, 3, 2 ArbSchGG, also wieder der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Da auch Gesundheitsdaten verarbeitet werden, sind zudem § 26 III BDSG und Art. 9 II lit. b) DSGVO einschlägig.

Die DSK ist der Auffassung, dass hierzu auch die angemessene Reaktion auf die epidemische/ pandemische Verbreitung einer meldepflichtigen Krankheit zählt, die insbesondere der Vorsorge und im Fall der Fälle der Nachverfolgbarkeit dient. Dabei müssen stets die Verhältnismäßigkeit und Vertraulichkeit gewahrt werden. Die weit diskutierten datenschutzrechtlichen Bedenken bezüglich Fiebermessungen bei Mitarbeitern sind hier nicht übertragbar, da die Körpertemperatur anders als ein direkter Corona-Test kein verlässliches Kriterium für die Feststellung einer COVID-19-Infektion ist. Die Geeignetheit der Maßnahme ist bei einem direkten Test nicht im Zweifel.

Ausblick: Impfpflicht im Betrieb?
Ob und wann ein Impfstoff kommt, ist aktuell nicht vorhersehbar. Sollte man sich als Arbeitgeber vorgenommen haben, die Arbeitnehmer zu Impfungen zu verpflichten, muss beachtet werden, dass es keine generelle Impfpflicht gibt.

Lediglich hinsichtlich bestimmter Arbeitsfelder gilt, dass der Arbeitgeber eine Impfung verlangen kann oder sogar muss. Dies ist etwa der Fall bei Krankenhäusern, Arztpraxen, ambulanten Pflegediensten und ähnlichen Betrieben, Kindergärten, Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen gem. §§ 23 Abs. 3 S. 1, 33 Nr. 1 bis 4 und 36 Abs. 1 Nr. 4 IfSG.

Es wird aber im Interesse des Arbeitnehmers liegen, eine solche Impfung vorzunehmen, da sonst droht, keine Entschädigung im Falle einer Quarantäne zu erhalten.

Gesetzliche Grundlage ist hier der § 56 I 3 IfSG:

Eine Entschädigung (…) erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können.

Sollte der Impfstoff kommen, gilt es als äußerst wahrscheinlich, dass die Impfung zumindest öffentlich empfohlen oder sogar verpflichtend wird. Erste Tendenzen in diese Richtung werden im Bundesgesundheitsministerium diskutiert.

Fazit:
Das Thema ist kontrovers und es ist zu jeder Zeit ein sensibler Umgang mit den Persönlichkeitsrechten des Arbeitnehmers erforderlich. Angesichts des hohen Ansteckungsgrades und der dynamischen Entwicklung müssen gerade Arbeitgeber, die kein Homeoffice gewähren können, den Schutz ihrer Arbeitnehmer vor Infektionen im Auge behalten. Er kann unter Umständen seiner Fürsorgepflicht nur dann nachkommen, wenn er darüber Bescheid weiß, welche seiner Arbeitnehmer bereits immun oder gerade infiziert sind. Vor allem im Hinblick auf vorerkrankte Arbeitnehmer oder Arbeitsplätze, die so gestaltet sind, dass viele Menschen auf engem Raum zusammenarbeiten, können obligatorische Tests gerechtfertigt sein.

Bezogen auf die Impfpflicht gibt es bisher keine gesetzliche Regelung, die eine Verpflichtung für Arbeitnehmer begründet, wobei eine gesetzliche Impfpflicht in der Zukunft nicht unwahrscheinlich ist. Im Falle einer gesetzlichen Verpflichtung wäre dies auch der betrieblichen Mitbestimmung entzogen, da die Impfpflicht dann nicht auf eine Entscheidung des Arbeitgebers basiert.

Unter Achtung der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer, der betrieblichen Mitbestimmung und des Datenschutzes können auch obligatorische Corona-Tests vertraglich vereinbart werden. Aufgrund des Rechts auf körperliche Unversehrtheit können Arbeitnehmer jedoch nie zu Antikörpertests verpflichtet werden, sodass es hier auf die Bereitschaft der Arbeitnehmer ankommt.

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