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Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst? Das ist hier die Frage!

April 2021 · Lesedauer: Min

Die Unterschiede haben für den Arbeitgeber insbesondere finanziellen Konsequenzen

Ob Klempner, Ärzte oder IT-Experten – in Notfällen muss schnell reagiert werden, auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit. Die Lösung: Die Einrichtung von Rufbereitschaft und/oder Bereitschaftsdiensten. Doch wo liegen die Unterschiede und welche praktischen Konsequenzen haben diese für Arbeitgeber?

Was unterscheidet Rufbereitschaft von Bereitschaftsdiensten?

Grundsätzlich gilt: Ein Mitarbeiter, der Bereitschaftsdienst leistet,

  • muss sich innerhalb eines vom Arbeitgeber vorgegebenen Zeitraums

  • an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und

  • auf Abruf unverzüglich seine Arbeit aufnehmen.

Hingegen muss ein Mitarbeiter in Rufbereitschaft

  • innerhalb eines vom Arbeitgeber vorgegebenen Zeitraums (außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit) seine ständige Erreichbarkeit sicherstellen,

  • kann sich dabei aber an einem Ort seiner Wahl aufhalten, von dem aus er

  • bei Bedarf tätig werden muss.

Praktische Konsequenzen für Arbeitgeber
Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst haben einige Gemeinsamkeiten: Der Mitarbeiter ist zur Erbringung beider Arbeitsformen nur bei Bestehen einer entsprechenden arbeits- oder tarifvertraglichen Grundlage verpflichtet. Zudem sind in Unternehmen mit Betriebsrat in beiden Fällen dessen Mitbestimmungsrechte zu beachten.

Über diese Gemeinsamkeiten hinaus bestehen allerdings auch bedeutende Unterschiede – mit insbesondere finanziellen Konsequenzen: 

Einordnung als Arbeitszeit:
Die Qualifizierung einer Tätigkeit als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes hat Folgen: Liegt Arbeitszeit vor, muss neben der täglichen Höchstarbeitszeit von maximal 10 Stunden auch die wöchentliche Höchstarbeitszeit von maximal 60 Stunden beachtet werden. (Diese Höchstarbeitszeiten dürfen allerdings nur ausnahmsweise und punktuell erreicht werden: Die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit darf innerhalb von sechs Kalendermonaten bzw. 24 Wochen 8 Stunden und die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten.) Schließlich ist nach dem Ende der Arbeitszeit bis zum Beginn der nächsten Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden einzuhalten, innerhalb welcher der Mitarbeiter zu keinerlei Arbeitsleistung herangezogen werden darf.

  • Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit. Das Arbeitszeitgesetz ist somit ausnahmslos zu beachten! Dies hat insbesondere zur Folge, dass die reguläre Arbeitszeit sowie der Bereitschaftsdienst (zusammengerechnet) die tägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden nicht überschreiten dürfen. Hat der Mitarbeiter vor Beginn des Bereitschaftsdienstes also bereits während seiner regulären Arbeitszeit insgesamt 8 Stunden gearbeitet, so darf der Arbeitgeber nur noch einen zusätzlichen Bereitschaftsdienst im Umfang von 2 Stunden anordnen.

  • Rufbereitschaft ist Ruhezeit. Lediglich die Zeit, in der der Mitarbeiter während der Rufbereitschaft tatsächlich zur Arbeitsleistung herangezogen wird, ist als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu qualifizieren. Die Ruhezeit wird also mit jedem Abruf zur Arbeit unterbrochen. Mit der Konsequenz, dass nach Beendigung des letzten tatsächlichen Arbeitseinsatzes während der Rufbereitschaft die gesamte gesetzliche Ruhezeit von (ununterbrochenen) 11 Stunden erneut beginnt und einzuhalten ist. Dies gilt auch dann, wenn sich diese Ruhezeit mit der nächsten regulären Schicht des Arbeitnehmers überschneidet.

Vergütungspflicht des Arbeitgebers:

  • Bereitschaftsdienst ist vergütungspflichtige Arbeitszeit. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer während seines Bereitschaftsdienstes tatsächlich nicht ein einziges Mal zur Arbeit herangezogen wird! Allerdings kann für Bereitschaftsdienste eine gesonderte Vergütungsvereinbarung getroffen werden: Diese kann einen finanziellen Ausgleich (welcher ggf. geringer ist als die reguläre Vergütung des Mitarbeiters) oder aber auch einen (bezahlten) Freizeitausgleich vorsehen.

  • Zeiten der Rufbereitschaft müssen hingegen nicht vergütet werden, soweit der Mitarbeiter nicht zur tatsächlichen Arbeitsleistung herangezogen wird. Lediglich die tatsächliche Arbeitsleistung ist mit dem regulären (Stunden-)Lohn des Mitarbeiters zu vergüten. In der Praxis wird allerdings regelmäßig eine Rufbereitschaftspauschale vereinbart, die dem Mitarbeiter für das Bereithalten zur Arbeitsleistung gezahlt wird.

Wichtiger Praxishinweis: Nicht überall, wo „Rufbereitschaft“ draufsteht, ist auch „Rufbereitschaft“ drin!
Für die richtige Einordnung kommt es vielmehr entscheidend darauf an, ob der Mitarbeiter seinen Aufenthaltsort tatsächlich frei wählen kann. Gerade erst entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass ein als „Rufbereitschaft“ bezeichneter Zeitraum tatsächlich als Arbeitszeit gewertet werden muss (und damit im Ergebnis keine Rufbereitschaft, sondern vielmehr Bereitschaftsdienst darstellt), wenn der Mitarbeiter zwar „auf dem Papier“ seinen Aufenthaltsort frei bestimmen kann, aber dennoch (beispielsweise durch sehr kurze Reaktionszeiten) in seiner Freizeitgestaltung ganz erheblich beeinträchtigt ist. Wir berichteten hierzu kürzlich auf unserem Blog.

Nur zwei Wochen nach der Entscheidung des EuGH haucht das Bundesarbeitsgericht (BAG) diesen abstrakten Kriterien erstmals Leben ein: Mit der Verpflichtung des Mitarbeiters, während der Rufbereitschaft unverzüglich dienstliche Anrufe entgegenzunehmen, ist keine so erhebliche Beeinträchtigung der Freizeitgestaltung des Mitarbeiters verbunden, welche zwingend zu einer Qualifizierung als Bereitschaftsdienst führt (BAG, Urt. v. 25.03.2021 – 6 AZR 264/20). Geklagt hatte ein Oberarzt aus dem Raum Köln, der sogenannte Ärztliche Hintergrunddienste leisten musste. Während dieser Zeit war der Arzt verpflichtet, teilweise innerhalb von 30 Minuten telefonisch auf Organspendeangebote zu reagieren. Die hierfür erforderlichen Informationen waren einem Aktenordner zu entnehmen, den er während der Rufbereitschaft mit sich zu führen hatte. Vorgaben hinsichtlich des Aufenthaltsortes oder der Zeitspanne, innerhalb derer aus der Rufbereitschaft heraus die Arbeit vor Ort im Klinikum aufgenommen werden musste, existierten jedoch nicht.

Fazit: 
Es bleibt abzuwarten, welche Reaktionszeiten zukünftig von der Rechtsprechung und/oder dem Gesetzgeber als gerade noch ausreichend qualifiziert werden, um dem sich in Rufbereitschaft befindlichen Mitarbeiter genügend Raum für seine Freizeitgestaltung zu geben.

Bereits jetzt steht fest, dass der Arbeitgeber nach Auffassung des BAG wirksam eine Rufbereitschaft anordnen kann, innerhalb derer der Arbeitnehmer telefonisch erreichbar sein und auf Abruf aus der Ferne („remote“) eine Arbeitsleistung erbringen muss.

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