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Das Einmaleins der Urlaubsberechnung in besonderen Konstellationen – Teil 1

Juli 2020 · Lesedauer: Min

  • Nicole Witt

Manchmal stimmt das Sprichwort »iudex non calculat« nicht und auch Juristen müssen mit Zahlen hantieren, so z. B. im Urlaubsrecht. Im ersten Teil dieses Beitrags werden die Urlaubsberechnung beim unterjährigen Ein- oder Austritt, beim Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit sowie bei einer unregelmäßigen Verteilung der Arbeitszeit erklärt.

Unterjähriger Ein- und Austritt

Zum Einstieg eine relativ geläufige Sonderkonstellation, nämlich die Berechnung des Jahresurlaubs im Falle des unterjährigen Ein- oder Austritts eines Arbeitnehmers. Hier trifft § 5 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) folgende eindeutige Regelungen:

Tritt ein Arbeitnehmer bis zum 30. Juni eines Jahres in ein Arbeitsverhältnis ein, so entsteht nach Ablauf der Wartezeit von sechs Monaten der volle Urlaubsanspruch.

Beginnt das Arbeitsverhältnis dagegen am 01. Juli oder später, so entsteht der Jahresurlaubsanspruch nur anteilig, nämlich in Höhe von einem Zwölftel für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.

Endet das Arbeitsverhältnis im Eintrittsjahr vor erfüllter Wartezeit, so kommt ebenfalls die Zwölftelregelung zum Tragen.

Dasselbe gilt im Falle eines Ausscheidens nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres.

Scheidet der Arbeitnehmer dagegen in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres nach erfüllter Wartezeit aus, so hat er Anspruch auf den vollen Jahresurlaub.

Praxistipp: Für Urlaubsansprüche, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, kann vertraglich etwas anderes vereinbart werden, z. B. kann geregelt werden, dass bei einem Ausscheiden nach dem 30. Juni eines Jahres der Urlaubsanspruch anteilig zu kürzen ist, soweit der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nicht unterschritten wird.

Wechsel von Vollzeit in Teilzeit und umgekehrt

Diese beiden Konstellationen sind schon etwas komplizierter und das Gesetz gibt dazu nichts her. Es geht um die Frage, was mit dem verbleibenden, vor der Arbeitszeitänderung entstandenen, aber noch nicht genommenen Urlaub passiert.

Früher war es gängige und durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) gebilligte Praxis, die Urlaubstage im Verhältnis der neuen zur alten Anzahl der Arbeitstage pro Woche umzurechnen, um jeweils eine gleiche Anzahl urlaubsbedingt freier Wochen zu gewährleisten. Wechselte z. B. ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer aus einer Fünf-Tage-Woche zum 01. Juli eines Jahres in eine Teilzeitbeschäftigung mit nur noch zwei Wochenarbeitstagen und hatte er bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen Urlaub beansprucht, so wurde sein gesetzlicher Urlaubsanspruch für die erste Jahreshälfte in Höhe von zehn Tagen (= zwei Wochen bei Fünf-Tage-Woche) auf vier Tage (= zwei Wochen bei Zwei-Tage-Woche) heruntergerechnet.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) machte dieser logischen Methodik jedoch einen Strich durch die Rechnung und entschied im Hinblick auf den Wechsel von Voll- in Teilzeit, dass das Ausmaß bereits entstandener Urlaubsansprüche im Falle einer Änderung des Beschäftigungsvolumens nicht angepasst werden dürfe (Beschluss vom 13.06.2013 – Az. C-415/12). Eine nachträgliche Quotierung des Urlaubsanspruches entsprechend der reduzierten Arbeitszeit darf also laut EuGH und nunmehr auch laut BAG (Urteil vom 10.02.2015 – Az. 9 AZR 53/14) nicht mehr erfolgen. Vielmehr soll eine abschnittsweise Betrachtung vorgenommen werden. Im obigen Beispielsfall würde der Arbeitnehmer die zehn Urlaubstage aus der ersten Jahreshälfte also behalten (= fünf (!) Wochen bei Zwei-Tage-Woche). Hinzu kämen noch weitere vier Urlaubstage für die zweite Jahreshälfte.

Seine zunächst in Bezug auf die Reduzierung der Arbeitstage entwickelte Rechtsprechung hat der EuGH später auch auf die Erhöhung der Arbeitstage erstreckt (Urteil vom 11.11.2015 – Az. C-219/14): Einem Arbeitnehmer, der bis zum 30. Juni an zwei Tagen pro Woche gearbeitet hat, stehen für die erste Jahreshälfte vier Urlaubstage zu. Wechselt dieser Arbeitnehmer nun ab dem 01. Juli in eine Fünf-Tage-Woche, so stehen ihm für die zweite Jahreshälfte zehn weitere Urlaubstage zu. Eine Anpassung der vier Urlaubstage aus der Teilzeittätigkeit auf die Fünf-Tage-Woche muss nach der Rechtsprechung des EuGH nicht erfolgen, auch wenn dies bedeutet, dass vier Urlaubstage nur noch weniger als eine Woche Urlaub statt der vorherigen zwei Wochen wert sind.

Praxistipp: Bei einer bevorstehenden Verringerung der Wochenarbeitstage sollten Urlaubsansprüche möglichst noch während der Vollzeitphase gewährt werden, um eine »Vervielfachung« des Urlaubsanspruches zu verhindern. In Bezug auf den übergesetzlichen Mehrurlaub kann eine ratierliche Kürzung entsprechend der alten BAG-Rechtsprechung vertraglich geregelt werden.

Unregelmäßige Anzahl von Wochenarbeitstagen

Denkbar ist auch, dass die Arbeitszeit unregelmäßig verteilt ist. In diesem Fall wird die Berechnung des Urlaubsanspruchs noch komplexer, denn es muss zunächst einmal ein neuer Bezugszeitraum ermittelt werden, auf den anstelle von einer Woche abzustellen ist.

Eine unregelmäßige Verteilung der Arbeitszeit liegt z. B. vor, wenn ein Arbeitnehmer rollierend erst an drei, dann an vier und dann an fünf Tagen die Woche tätig wird. In diesem Fall würde der Bezugszeitraum drei Wochen betragen, da der Arbeitnehmer innerhalb dieses Zeitraums immer im selben Rhythmus an insgesamt zwölf Tagen (= 3 + 4 + 5) arbeitet. Die tatsächlichen Arbeitstage des Arbeitnehmers im Bezugszeitraum sind dann zu den im Bezugszeitraum maximal denkbaren Arbeitstagen in Relation zu setzen.

Der gesetzliche Urlaubsanspruch würde sich in diesem Fall bei einer betrieblichen Fünf-Tage-Woche wie folgt berechnen:

20 (gesetzlicher Urlaubsanspruch) : 15 (maximal denkbare Arbeitstage im Bezugszeitraum) x 12 (tatsächliche Arbeitstage des Arbeitnehmers im Bezugszeitraum) = 16

Praxistipp: Ist kein sich regelmäßig wiederholendes System erkennbar, so ist der Bezugszeitraum in einem Jahr zu erblicken. Das BAG unterstellt in der Fünf-Tage-Woche eine Arbeitsverpflichtung an 260 Tagen und in der Sechs-Tage-Woche eine Arbeitsverpflichtung von 312 Tagen im Jahr. Zu dieser Anzahl an Tagen sind die tatsächlichen Arbeitstage des Arbeitnehmers – mithilfe der obigen Formel –  in Relation zu setzen.

Im zweiten Teil dieses Beitrags werden weitere besondere Konstellationen behandelt (u. a. Ruhenstatbestände und Kurzarbeit).

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